Du betrachtest gerade Willst du mich heiraten?

Willst du mich heiraten?

A: Ist das immer noch eine der großen Fragen des Lebens? Und wie fühlt man sich, wenn man morgens aus dem Fenster am Elisabethmarkt schaut und diese – nicht zu übersehenden – Riesenlettern am Bauzaun gegenüber liest? Zunächst müsste man sich ja mal angesprochen fühlen. Und es müsste über kurz oder lang eine Antwort her. Schreibt man die dann dahinter? Und ist das romantisch?
Der Mann hat mir DIE Frage in einem dieser charmanten Pariser Hotelzimmer gestellt, im Bad, in dem wir uns beide für die Hochzeit eines Freundes aufhübschten, zu der wir dann prompt zu spät kamen, auch weil wir den Weg nicht direkt gefunden haben. Das war romantisch, lustig und peinlich zugleich. Und es blieb zunächst mal unter uns. Wie ein gut gehütetes Geheimnis, das wir noch nicht in die Welt lassen wollten. Lächelnd oder grinsend über den Moment, die Situationskomik. Oder vielleicht auch erschrocken über den eigenen Wagemut?
Bei der Variante am Elisabethmarkt sind potentiell immer andere Menschen beteiligt. Die, die den Fragenden beim Schreiben der Lettern beobachten, diejenigen, die jeden Tag von ihren Fenstern, Geschäften, aus Bussen und der Tram auf die Bretterwand schauen, die Bauarbeiter, die irgendwann den Zaun und damit die Frage zerlegen und und und… Ist diese Version spannender, hat man da länger was davon oder leiert es eher aus?

M: Es gibt ja wirklich die kuriosesten Heiratsanträge: an den Himmel geschriebene, auf flatternden Spruchbänder an Flugzeugen, in Desserts versteckt (Vorsicht, Verschluckgefahr!)… Recht angesagt ist mittlerweile auch der Antrag in aller Öffentlichkeit, auf der Bühne bei einer Fernseh-Gala vor einem Millionenpublikum zum Beispiel. Da geht der Mann dann auch mal auf die Knie, und ich muss mich schrecklich fremdschämen.
Falls es nicht ein vorher abgesprochener PR-Gag ist, was ich natürlich vermute: Wie reagiert man als Frau auf sowas? Gesetzt den Fall, man möchte NICHT, oder ist zumindest noch nicht sicher? Das will man ja dann auch nicht vor aller Welt ausdiskutieren müssen, oder? Macht man dann einfach gute Miene zum kitschigen Spiel? Und lässt es erst hinter der Bühne krachen?
Da ich ja ohnehin ein gespaltenes Verhältnis zur Ehe habe, bin ich aber vielleicht aber auch ungeeignet, über Heiratsanträge und Hochzeiten zu schwadronieren. Mir fehlt einfach das Romantik-Gen. WAS genau wird da eigentlich zelebriert bei diesen hyper-originellen Anträgen und den pompösen und sündteuren Hochzeitsfeiern, wie sie mittlerweile üblich sind? Klär mich auf, bitte!

A: Ich bin da ja auch keine Expertin, kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass den schillerndsten Hochzeitsfesten gern auch die unsäglichsten Scheidungsszenarien folgen, bei denen dann wirklich alles auf den Tisch kommt, was man nicht wissen will. An diesem einen Tag aber soll die Welt vielleicht einfach perfekt sein? Wie im Märchen, welches ja gern mit der Hochzeit von Prinz und Aschenbrödel oder Schneewittchen endet. Und damit die Zelebrierenden auch selbst ganz fest daran glauben, brauchen sie ganz viele Zeugen, die das Glück sehen, dokumentieren und vor allem festhalten, damit es bleibt. Leider wird, wenn man viel in die äußere Hülle investiert, schon mal der Inhalt etwas vernachlässigt. Und die vielleicht angenommene Prämisse, unser Geburtsrecht sei, glücklich zu sein, kommt mit jedem prosaischen Tag, an dem etwas für dieses merkwürdige Glück getan werden muss, mächtig ins Wanken.
Unterschwellig schwingen vermutlich auch Überbleibsel aus den magischen und mythischen Zeitaltern mit. Hier kann ich den Philosophen Ken Wilber empfehlen, der recht anschaulich beschreibt, wie alte Wirkungsmechanismen bis in unser heutiges, rational geprägtes Zeitalter greifen. Also Dinge wie Aberglaube, Fetisch, Schuld und Sühne. Eine gemeinsame Freundin hatte ja zu unserer Hochzeit den Vorschlag gemacht, dass die Trauungszeremonie doch auch ein Schauspieler übernehmen könne, nachdem der dörfliche Pfarrer eine Wald- & Wiesentrauung entsetzt abgelehnt hatte. DAS war mir dann aber auch zu unheilig, weil es sich irgendwie nach nicht wirklich wahr angefühlt hätte. Aber was ist schon wahr?

M: Diese Anekdote hast Du mir noch nie erzählt! Ein SCHAUSPIELER als Quasi-PFARRER?!? Oder sollte der nur eine Art alternative Hochzeitszeremonie durchführen, denn der hätte euch ja nicht „richtig“ trauen dürfen?
Ich gehe ja generell nicht besonders gerne auf Hochzeiten, weil ich die vielen Programmpunkte immer sehr anstrengend und meistens langweilig finde, aber eure Hochzeit, an der ich ja samt Kindern teilnehmen durfte, hab ich in schöner Erinnerung. Ihr habt das ja ganz traditionell gemacht, mit Trauung und Feiern im Garten und mit vielen Gästen und Musik und guter Laune. Und wir als Eingeladene mussten nicht tausend Gedichte und Spiele und launige Einlagen über uns ergehen lassen, bevor wir es krachen lassen konnten. Oder hab ich da was verpasst?
Was ich dich noch nie gefragt hab: Musstet Ihr da vorher eigentlich auch so einen unfassbaren Aufwand betreiben, wie es inzwischen üblich ist? Heute werden die Hochzeiten ja zum Teil schon mehr als ein Jahr im voraus festgesetzt, wie ich aus einschlägigen Sendungen im Fernsehen weiß (ja, ich gucke manchmal Trash-TV!). Und dann gibt es ganz schrecklich viel zu organisieren, so dass manche sogar einen „Wedding Planer“ engagieren müssen, um nicht durchzudrehen, was die ohnehin immensen Kosten noch mal in die Höhe treibt. Und dann muss man einen Termin für die Auswahl des Hochzeitskleides machen, zu dem man mehrere Freundinnen mitschleppt, im schlimmsten Fall gibt es Brautjungfern, die nach amerikanischem Vorbild auch noch die gleichen Kleider tragen müssen, man muss sich ein Hochzeitsversprechen geben, das gefälligst alle zu Tränen rührt und mit dem man seine tiefen Gefühle in die Welt hinaus trompetet… Da frage ich mich immer: Macht das alles wirklich Spaß? Und war es am Ende des herbeigefieberten Tages wirklich der schönste im Leben? Das ganz große Glück?

A: Ich war hundemüde am großen Tag, weil unser Pfarrer mit dem Motorrad aus dem weit entfernten Breisgau schon zwei Tage vorher angerauscht kam. Die Nächte mit diesem ganz besonderen Geistlichen, der – oh ja – ohne Bedenken auch unter freiem Himmel traut, waren lang, feucht und fröhlich und chronischer Schlafmangel vorprogrammiert. Und yes: Es gab unendlich viel zu organisieren, von den Einladungen, dem Buffet über die Hotelzimmer und dem Shuttleservice bis zur Deko.
Und dann hatten wir natürlich auch Sorge, dass die Sandkastenliebe, die Tante UND die alte Clique was zum Besten gibt. Am Ende waren es nur meine alten westfälischen Freunde, die eine musikalische Darbietung und Neuvertextung vom Ärzte-Song „Grace Kelly (ist tot)“ vortrugen, die ich ausgesprochen witzig fand. In Westfalen hat das Riesen-Tradition! Da werden auch gern mal hochnotpeinliche Fotos exorbitant groß an die Leinwand projiziert, neckische Kennenlernspiele für die untereinander oft fremden Gäste ausgedacht und am Ende noch die Braut entführt, die dann auch schon mal verloren geht. Zur Erinnerung gibt es dieses – meist grottenschlecht kopierte – Hochzeitsbuch im Ringhefter mit Sprüchen, Bildern und Wünschen für die Zukunft.
Bei diesen streng traditionellen Hochzeiten kann man sich, glaub ich, auch nicht wirklich aussuchen, wen man ein und – oft viel wichtiger – eben nicht einlädt. Und ich kenne auch welche, für die das einfach dazugehört und die sich auf unserer Hochzeit, aufgrund des eher mageren Programmteils, echt gelangweilt haben!

M: Also ich war sehr dankbar für das vergleichsweise magere Programm! Ich kann mich an eine Hochzeit erinnern, bei der die Schwester des Bräutigams ein launiges Gedicht vortrug mit „Warnungen“ an die Braut – und der Bräutigam war über die Erwähnung diverser sehr privater Details darin so sauer, dass er jahrelang so gut wie keinen Kontakt mit besagter Schwester hatte. Was die wiederum gar nicht verstehen konnte – es war doch so lustig! Und so lieb gemeint!
Übrigens habe ich in meinem Bekanntenkreis allein fünf Frauen, die mir mal erzählt haben, dass sie schon vor der Hochzeit wussten, dass das nicht gutgehen würde mit dieser Ehe, und dass sie eigentlich das Ganze absagen wollten. Die, die sich getraut haben, das auch zu äußern, kamen bei ihren Familien sehr schlecht an: Es war doch schon alles so aufwändig geplant! Zum Teil sogar bezahlt! Was solle man denn der Verwandtschaft sagen! Was würde der Pfarrer denken! Und so ein bisschen Torschlusspanik hat doch fast jede Braut, das geht vorbei…
Alle diese fünf Ehen haben nicht gehalten, zum Teil war schon nach 1 – 2 Jahren Schluss. Sollte meine Tochter mal in die gleiche Situation geraten, erhoffe ich von mir, dass ich ihren Gefühlen vertraue und sie unterstütze, anstatt sie in eine unglückliche Ehe zu drängen.

A: Ich hab mittlerweile auch mehr geschiedene Paare in meinem Freundeskreis als immer noch glücklich verheiratete. Und das mit dem Glück ist ja auch relativ, subjektiv, evolutiv und situativ. Am Tag unserer Hochzeit gab es zur gleichen Zeit und am selben Ort ebenso unglücklich Verliebte wie zart geknüpfte neue Bande. Irgendwie ansteckend, das Ganze.
Der Kostümbildner erwartete voller Hoffnung den Produktionsfahrer. Letzterer war aber ganz schnell wieder verschwunden und mein frisch Angetrauter saß – Trost spendend – mit dem unglücklich Verliebten im Morgengrauen neben dem Kamin. Da hatte ich meine schmerzenden Füße schon längst von den durchtanzten Pumps befreit, um mal wieder zu erkennen, wie nah Glück und Unglück beieinander sind. Nach den höchsten Hochs kommen die tiefsten Tiefs. Und vice versa. Es wird also nie langweilig.
Falls deine Tochter aber mal heiraten möchte – und ich bin mir ganz sicher, dass DU sie zu gar nichts drängen wirst – würde ich ja einen kurzen Abstecher zu diesem bezaubernden kleinen Brautmodenatelier an der Georgenstraße empfehlen. Abends, wenn schon geschlossen ist – dann ist der Laden in dieses entspannte Licht getaucht. Auf dem Bordstein sitzend, kann man da wunderbar Zeit verbringen, in die schlicht arrangierten Schaufenster schauen und darüber reden, was wirklich wichtig ist.


Schreibe einen Kommentar