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Gehst du einkaufen oder shoppen?

M: Ich unterscheide ganz genau zwischen diesen beiden Tätigkeiten. Einkaufen, das sind die Sachen, die man wirklich braucht: Essen, Waschmittel, Hundefutter, ab und zu Socken, Unterwäsche, T-Shirts. Und auch Bücher gehören – zumindest für mich – dazu. Einkaufen tu ich eigentlich ganz gerne, besonders in fremden Ländern, wo alles so unvertraut aussieht und riecht und sich anfühlt und später auch schmeckt.
Ganz anders ist es mit dem Shoppen. Ich bummel gerne durch Städte, besonders unbekannte, und guck mir dabei auch interessiert Schaufenster an; ab und zu hab ich da auch sehr spontan etwas gekauft, schöne Klamotten, die ich viel und lange getragen habe (Die roten Cowboy-Stiefel in Italien! Der weiße Strickschal in Schottland!) oder schönes Nützliches. Aber das, was anderen (nur Frauen?) offenbar Spaß macht, dieses Schlendern durch die Boutiquen nach dem Motto „Ich-brauch-im-Grunde-gar-nichts-ich-will-bloß-mal-bisschen-gucken“, das ist für mich die pure Qual. Ganz schlimm besonders dann, wenn ich unbedingt etwas brauche für einen besonderen Anlass, dann verzage ich schon im ersten Geschäft und brauche sofort einen Kaffee oder etwa Stärkeres Stärkendes. Und alles, was ich bisher bei solchen Exkursionen erstanden habe, hat sich im Nachhinein als Flop herausgestellt, teures Zeug, in dem ich mich unwohl gefühlt habe und das jahrelang unbenutzt im Schrank hing.

A: Einkaufen in heimatlichen Supermärkten finde ich voll langweilig und echt lästig! Deshalb bin ich heilfroh, dass der Mann gern Lebensmittel aussucht, besorgt und ebenso gern zu einem meist köstlichen Mahl verarbeitet. Der ist auch irgendwie fixer als ich, greift oft zum Altbewährten, bringt aber auch mal spannendes Neues mit nach Hause.
Auf den Münchner Bauernmärkten treibe ich mich allerdings gern rum! Das Highlight im vergangenen Jahr war aber: Die Märkte auf der Piazza della Frutta und der Piazza delle Erbe in Padova. Das Szenario eines sinnlichen Erlebens und ästhetischen Eintauchens in betörende Geruchsschwaden und Farbräusche beherrschen Italiener ja traumwandlerisch. Da fress ich mich dann hemmungslos durch die Stände und kaufe mehr, als ich essen und tragen kann.
Und beim Shoppen geht es mir oft wie dir: Ich lasse mich blenden von gewagten Farben oder Schnitten, in denen ich gruselig aussehe, die ich bei anderen aber MEGA finde.
Ganz eindrücklich in meine Erinnerung hat sich ein Kleid geschlichen, das ich NICHT gekauft habe, und das mir seitdem immer mal wieder im Kopf rumspukt: Ein dunkelpinkfarbenes Abendkleid, das mein Ältester im Alter von ca. 10 Jahren zielsicher aus einer völlig unüberschaubaren Anhäufung von Fummeln und Roben, die die Ständer fast zum Bersten brachten, mit seinen schmuddeligen Jungshänden zog. Dieses Kleid schmiegte sich an meinen Körper wie eine zweite Haut und ließ Söhne und Verkäuferin kurz verstummen, als ich aus der Umkleidekabine trat, bevor sie dann einstimmig verkündeten, dass ich nichts anderes mehr anziehen müsste. Ich hab es trotzdem nicht gekauft und vermute, dass es deshalb munter weiter seine Bahnen in meinen Synapsen ziehen wird.

M: So ein Stück, das immer noch in meinem Kopf herumspukt, weil ich es eben NICHT gekauft habe, gibt’s bei mir auch: Eine rehbraune Jacke, weiches und trotzdem festes Wildleder, Safari-Schnitt mit hell gesteppten Nähten, – einfach ein Traum-Teil, das ich auf einer Rolltreppe im Vorüberfahren erspäht habe und sofort anprobieren musste. Passte, saß, sah hammermäßig aus. Fuchst mich heute noch, dass ich es nicht gekauft habe, aber ich hatte gerade einen Tag vorher einen freundlichen Brief vom Finanzamt bekommen mit einer horrenden Steuernachzahlungsforderung… Und dann 800 Mark (ja, so lange ist das her!) für eine Jacke?!? Die ich ja „eigentlich“ nicht brauchte?!? Bestimmt hätte ich sie heute noch, denn ich behalte sehr geliebte Klamotten ja generell so lange, bis sie mir vom Körper oder von den Füßen fallen.
Ich war mal Kundin bei einem sehr lieben alten Schuster in der Maxvorstadt, zu dem ich immer die oben erwähnten roten Cowboystiefel trug, wenn sie mal wieder schwächelten, was am Ende alle paar Wochen vorkam. Die letzten beiden Male wiegte er mit bedenklicher Miene sein Haupt und meinte, „die kriag i nimmer hi“. Was nicht stimmte, aber viel Überredungskunst von meiner Seite aus erforderte. Dann aber kam der Tag, an dem wirklich nichts mehr zu machen war, das musste sogar ich einsehen. Allerdings konnte ich mich aber nicht überwinden, sie wegzuwerfen; ich bin mindestens noch dreimal mit ihnen umgezogen, weil ich bei ihrem Anblick immer dachte, dass ich mir vielleicht eines Tages den Luxus gönne, sie mir passgerecht nachmachen zu lassen. Hab ich dann aber doch nie getan. Vielleicht weil ich ahnte, dass das eine perfekte Paar Schuhe ein Unikat ist und bleiben wird und es sich nicht reproduzieren lässt?

A: Unikate in menschlicher Form – und damit wohl eher Originale – gibt es auch in einem unserer präferierten Bioläden! Die stehen hinter der Massivholztheke und packen – mit gaaaaaanz viel Zeit – die besten Laugensemmeln der Stadt in braune Öko-Papier-Tüten. Und wenn man da auch nur ansatzweise gehetzt wirkend reinkommt, schalten die in aller Ruhe noch einen Gang runter. Dann wird erst die Kiste mit der neuen Lieferung ausgepackt und mit dem Bäckermeister in Ruhe zu Ende geratscht. Ich schwanke dann immer zwischen entnervt-auf-dem-Absatz-kehrt-machen und dem gebetsmühlenartigen Murmeln meines Mantras für herausfordernde Situationen, das mich hoffentlich auch weiterhin davor bewahrt, nicht ausfallend zu werden.
Dieser Vorzeige-Öko-Laden ist aber nicht nur unsere ganz persönliche Erziehungsschmiede für die momentan sehr gehypte Entschleunigung, auch aus der Nachbarschaft kommt mir zu Ohren, dass ihr in ausdauernder Regelmäßigkeit unmissverständlich signalisiert wird : Wer bei uns einkauft, hat ALLE Zeit der Welt!
Den hungrigen Mann treibt das beim samstäglichen Semmeleinkauf schier in den Wahnsinn, weil dann Kunden zur allgemein üblichen Frühstückszeit (gibt es die?) ihren GESAMTEN Wochenendeinkauf dort tätigen. Und das gaaaanz in Ruhe…

M: Viel Geduld beim Einkaufen brauche ich auch, und zwar jeden Freitagmorgen. Da verkauft nämlich eine Bäuerin aus dem Umland aus ihrem Sprinter an der nächsten Straßenecke Obst, Gemüse, Käse, Brot, Eier und noch so einiges andere aus eigener Produktion. Ich warte dann schon um 9 Uhr herum – um diese Zeit kommt sie immer – auf ihr Erscheinen, das sie mit einer lauten Klingel in den Hinterhöfen anzeigt. Und dann sprinte ich los mit Einkaufskorb und Portemonnaie. Leider nie schnell genug, denn wenn ich unten ankomme, steht schon eine kleine Schlange am Sprinter: Die alten Damen aus der Nachbarschaft, die, wie mir kolportiert wurde, sich manchmal schon ab halb neun dort versammeln, um ihre Wochenendeinkäufe zu tätigen. Sie ratschen freudig miteinander, finden dabei allerdings nicht die Muße, sich zu überlegen, was sie eigentlich haben wollen, denn wenn die erste Kundin dran ist, wird sehr lange und gründlich gegrübelt, was es denn heute überhaupt sein soll. Gibt es was Neues im Angebot? Haben die Tomaten denn wirklich Aroma? Die Himbeeren sind aber schon arg teuer… Ich stehe dann an Platz 7 oder 8 in der Schlange und weiß, 20 Minuten wird das locker dauern, ziemlich sicher aber länger. Ich mache dann entspannende Atemübungen und versuche, nur Positives zu denken über die alten trödeligen Damen, für deren Wohlbefinden dieser Morgen bestimmt sehr wichtig ist, weil sie sonst vielleicht nicht so viele soziale Kontakte haben im Moment. Und diese Gedanken halten mich – zumindest meistens – davon ab, schnurstracks umzudrehen und in den Supermarkt 100 Meter weiter zu gehen, wo ich meinen Einkauf in maximal 10 Minuten erledigen könnte.

A: Dann ist es für die älteren Damen bei dir ums Eck ja eher Shopping inkl. Konversation, was die da an den Freitagvormittagen veranstalten. Das ähnelt sehr meinen Bioladen-Trödlern am Samstagmorgen, die bei ihrem Einkauf auch gern noch ihre Wissenslücken auffrischen: „Ist der Käse da nicht aus dem Allgäu? Nein? Dann nehme ich ihn lieber doch nicht. Und der Mozzarella? Wie sieht der eigentlich im Ganzen aus? Das wollte ich immer schon mal wissen!“ Keine gänzlich uninteressanten Fragen, ok. Ich würde es aber niemals im Leben wagen, so viel Zeit für mich in Anspruch zu nehmen, wenn hinter mir eine lange Schlange mit ungeduldigen Menschen wartet… Hab ich da jetzt zu wenig Ego oder vielleicht zu wenig Selbstbewusstsein? Oder handelt es sich – ganz banal – um eine andere Interpretation von shoppen und einkaufen?

M: Ich vermute mal Letzteres. Für die Trödler und Blockierer ist der Gang in euren Bio-Laden offenbar eher Shoppen als Einkaufen – sie machen das, was wir beide nur im Urlaub tun: Entspannt über Märkte flanieren, gucken, staunen, sich inspirieren lassen, probieren… Würde ich auch im Alltag gerne öfter tun, aber es fehlt die Zeit! Schade eigentlich. Ich habe mir aber vorgenommen, das alles (und noch viel mehr) nachzuholen, sobald ich auch Rentnerin bin. Obwohl viele Pensionisten ja oft besonders viel zu tun haben, zumindest verhalten sie sich so. Aber vielleicht wird man ja ungeduldig, wenn die Lebenszeit knapp wird? Das wäre jetzt wieder ein anderes Thema…

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