M: Am Ende des Jahres schaue ich immer die Fotos der vergangenen 12 Monate durch und suche die aus, die in mein Fotoalbum kommen (ja, so etwas Altmodisches hab ich noch! Nicht nur, aber auch zur Sicherheit!). Und da wurde mir schon ein bisschen wehmütig ums Herz, als ich die Bilder von der Diplom-Feier meiner Tochter sah, aufgenommen am 19. Februar: Ungefähr 35 junge Leute standen da fröhlich und eng beieinander mit ihren Zeugnissen in der Hand auf einer Bühne und strahlten in die Kamera. Und wir Eltern, Geschwister und Freunde strahlten im überfüllten Kinosaal zurück.
Heute, am letzten Tag dieses Jahres, wäre so ein Bild völlig undenkbar. Sobald ich auf Fotos derlei Menschenansammlungen sehe, denke ich automatisch: Das war entweder vor Corona – oder ist total fahrlässig! Wo sind die Masken? Wo bleibt der Abstand?
Eins ist jedenfalls sicher: So schnell vergessen werden wir 2020 nicht. Meine ganz persönliche Bilanz sieht eigentlich auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aus: Ich habe mehr Arbeit gehabt als in 2019, ich konnte meine Miete bezahlen, niemand in meinem näheren Umfeld ist schwer krank geworden oder gar gestorben, meinen Kindern ging und geht es gut, ich bin nicht einsam oder isoliert. Und trotzdem… ich vermisse so viel! Wir haben letztes Jahr um diese Zeit überlegt, im Herbst 2020 nach Italien zu fahren, weißt du noch? Yoga, Reiten, Erholen und gut Essen in der Maremma, das war der Plan. Ob das nächstes Jahr was wird? Ich kann es mir nicht vorstellen.
Immerhin aber – auch das auf (zu) vielen Fotos festgehalten – bin ich im September für fünf Tage nach Venedig gefahren, was aus heutiger Sicht ziemlich fahrlässig anmutet, auch wenn es dort ungewohnt leer war und wir wirklich aufgepasst haben. Aber diese Zeit hat mich über die folgenden Monate hinweggetragen, ich habe von dieser Reise länger gezehrt als von jeder anderen zuvor. Und wenn ich mir die Bilder so anschaue, kann ich mich sofort wieder zurückbeamen und empfinde erneut dieses unbeschreibliche Glücksgefühl beim Anblick des Sonnenaufgangs über dem Lido, an einem Sonntagmorgen bei Klang unzähliger Kirchenglocken.
A: Beim Wort „Lockdown“ steigt in mir immer noch eine klitzekleine Panikwelle hoch, weil ich vor allem eines gar nicht mag: Eingesperrt sein. Das löst bei mir Beklemmungen aus und die Sorge, wissentlich von irgendeiner höheren Instanz dauerhaft kontrolliert zu werden. Und wenn ich nicht seit vielen Jahren Yoga praktizieren würde mit allen Tools, die diese uralte, aber immer wieder neue Lehre, Philosophie und Praxis für jeden bereitstellt, wäre ich vermutlich nicht halb so entspannt durch dieses Jahr 2020 gekommen.
Das Grundbedürfnis, meine eigene Freiheit (die bis zur Freiheit des anderen reicht) zu leben und meinen eigenen Raum zu haben, ist übrigens völlig unabhängig von dem Ort, an dem ich gerade lebe: Ob im Haus auf dem Lande oder in der Stadtwohnung – der eigene Garten taugt bei mir genauso wie der Englische Garten, den ich mit anderen Menschen teile. Denn der Raum in mir ist – nach dem, was ich im Yoga immer wieder neu begreife – in beiden Umgebungen gleich groß – völlig egal also, wo ich gerade bin. Unter anderem, weil ich mir ja auch – bei Bedarf – alles ins Bewusstsein holen kann, was gerade hilfreich ist und was vor allem ohne Grenzen wahrnehmbar war und ist: Der Blick auf das wütende, ligurische Meer, an dem ich zwei Wochen sein durfte oder die Weite an fast menschenleeren Stränden auf Sardinien, wo ich ein einwöchiges Retreat leiten konnte. Und nicht zuletzt die Aussicht vom alten Holzsteg auf den kristallklaren, zuweilen spiegelglatten Tegernsee bis zu den himmelwärts strebenden bayerischen Voralpen.
Meine Erkenntnis des Jahres 2020 ist also: Yoga funktioniert, auch wenn ich irgendwie eingesperrt bin. Das ist für mich ungefähr gleichbedeutend mit der wohltuenden Erkenntnis, dass man Yoga direkt hier im Leben mit all seinen Verführungen leben kann und nicht in einer einsamen Höhle hocken muss, in der man zum Asketen mutiert.
Trotzdem empfinde ich diese einschneidenden Reglementierungen dauerhaft als Bedrohung. Und wenn dieses Gefühl ganz arg in mir hochschwappt, dann hilft wirklich nur noch eins: Singen! Laut singen! Natürlich in meinen eigenen vier Wänden…
M: Ja, Singen hilft wirklich, da hast Du Recht, ich mach das auch oft. Und was ich auch tue: Ich führe viel mehr Selbstgespräche als früher. Ob das an Corona liegt, kann ich nicht beurteilen, vielleicht ist es auch eine Alterserscheinung?
Was für mich auch sehr wichtig war während der letzten Monate: Laufen. Ich meine nicht Joggen, sondern einfach drauflosgehen, in welche Himmelsrichtung auch immer, mit Hund, mit Sohn, oft auch mit beiden. Wir sind einfach losmarschiert, ohne Ziel, und haben auf diese Weise (nicht nur) unser Viertel ganz neu entdeckt. Zwei alte Fabrikruinen zum Beispiel. Wunderschöne verwunschene Hinterhöfe mit Werkstätten. Klitzekleine Straßen, an denen wir bisher vorbeigelaufen sind. Gedenktafeln an Häusern. Spannende Gärten. Riesige Baustellen. Und wenn wir dann wieder heimkamen, waren wir wunderbar müde – viel zu sehr, um noch in Trauer oder Sehnsucht zu verfallen.
Wir haben damit während des ersten Lockdowns angefangen und setzen es jetzt fort. Diesmal aber ist es im Gegensatz zum Frühjahr schon anders, irgendwie bedrückender, was vielleicht auch an der Jahreszeit und der frühen Dunkelheit liegt. Ich mach mir aber auch diesmal viel mehr Sorgen, um mich, um andere, um den Zustand der Welt ganz allgemein. Ich bin dünnhäutiger geworden, habe ich festgestellt, weniger optimistisch, ziehe mich mehr in mich zurück. Ob diese eingetrübte Grundstimmung sich unter dem Einfluss von mehr Licht und Sonne legt?
A: Laufen, Radeln und Berge hochkraxeln wirkt auch bei mir Wunder – und löst eine tiefe Dankbarkeit in mir aus, in dieser wirklich schönen Stadt zu wohnen mit dem großartigen Umland aus Seen, Bergen, satten grünen Wiesen und dem blauesten aller Himmel. Der Blick geht mehr ins Detail, fokussiert auf das, was immer schon da war, jetzt aber in einem anderen Licht erscheint. Das beruhigt ungemein – weil es mal nicht höher, schneller, weiter geht – und lässt mich ganz optimistisch sein. Nach ganz schlecht kommt auch wieder ganz gut. Punkt. Da wiegt auch der Verzicht auf viele geliebte Gewohnheiten – in Fräulein Müllers Liegestuhl in die Sonne blinzeln, durch Buchhandlungen stöbern und Bücher ANFASSEN, in Decken gehüllt einen Becher Tee in den Händen halten und auf die Münchner Freiheit schauen…vergleichsweise leicht.
In 2020 hat mir dein Geburtstagsfest gefehlt: Wohlige Wärme in deinem schönen Zuhause, knarzende Altbau-Dielen, spannende Menschen, interessante Gespräche, köstlicher Kuchen, gschmackiges Essen. Und dann zu Fuß durch die Schwabinger Nacht nach Hause gehen und dabei staunend darüber nachdenken, was in den noch erleuchteten Zimmern wohl passiert.
Der Mann hat Saatenknödel für die Vögel selbstgemacht. Die hängen jetzt in unserem Hof an der Linde und wenn ich aus dem Fenster schaue, freue ich mich über neue fedrige Besucher. Ich habe einen Weg gefunden, mich mit dem Streaming von Yogastunden anzufreunden, habe interessante Bachelorarbeiten lektoriert und Konzepte für Online-Workshops und Retreats entworfen.
Wir haben auf unser chaotisches, aber großartiges Heiligabend-Familienfest verzichtet, das seit Jahrzehnten Tradition ist. Ob unsere Eltern jetzt safe sind, weil wir uns an die Vorschriften gehalten haben, weiß ich nicht. Meine Mutter fühlt sich mit ihrer Blutgruppe 0 schon die ganze Zeit recht sicher, auch wenn das keine Garantie für gar nichts ist (und nur mal irgendwo in der Zeitung stand)! Aber ihr optimistisches Weltbild gerät weniger ins Wanken.
Drei Mal klopfen auf Holz: Auch wir haben bis jetzt keine Erkrankungen oder gar Todesfälle im engen Familien- & Bekanntenkreis. Vielleicht halte ich deswegen jetzt auch ein Plädoyer für die heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ich in ihrem Verhalten ohnehin schon recht brav und angepasst wahrnehme. Sie müssen einmal mehr den Ball flach halten, obwohl sie gerade auf dem Weg wären, die Welt zu erobern. Beim Abiball des Jüngsten habe ich im Grußwort der Eltern in der großen, etwas muffigen Dreifachturnhalle noch verkündet, dass die Absolventen nun in der größtmöglichen Freiheit angekommen sind, in einer Art zeitlichem Vakuum, einer Lücke, in der sie – ohne groß auf den Kalender zu schauen – reisen können, der inneren Stimme oder Sehnsucht folgend. Dabei neugierig sein, verwegen, unbequem, einzigartig, himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Letzteres sind sie im Moment vielleicht öfter, als ihnen lieb ist, wenn sie tagelang vor ihren künstlich flackernden Rechnern hocken und Prüfungen online schreiben, statt den Kilimandscharo zu erklimmen. Das kann man nämlich nicht nachholen, wie du in einem Interview zu deinem neuesten Buch schon gesagt hast.
Sorge tragen für andere – steht an TOP ONE mit einem großen JA! Aber wir sind doch nicht hier auf der Welt, um ständig Angst zu haben! Da rebelliert wirklich alles in mir! Und hoffentlich nicht nur in mir…
M: Vielleicht müssen wir das DOCH mal eine kurze Weile, Angst haben. Das haben wir ja so gut wie vergessen. Ich meine damit nicht die alltäglichen Befürchtungen um Geld oder die Versetzung der Kinder, sondern die existenziellen Ängste, bei denen es wirklich um was geht (wobei wir auch in der Beziehung in einer Luxusposition sind, denn die Zeiten von Pest und Cholera sind ja in unseren Ländern zum Glück vorbei). Wir sind ganz schön satt und bequem geworden, denke ich oft. Und nicht nur materiell, sondern vor allem geistig. Wir nehmen so vieles als gegeben hin, was uns eigentlich interessieren, beschäftigen, auch empören müsste. Und flippen beim kleinsten Stolperstein auf dem asphaltierten Weg gleich aus, siehe die Leute, die die momentane Situation mit der Judenverfolgung vergleichen und die das Recht auf Freiheit einfordern, die ihnen in Bereichen jenseits des persönlichen meistens herzlich wurscht ist. Wird Corona uns ein bisschen bescheidener und demütiger und aufmerksamer machen? Wirklich daran glauben kann ich leider nicht.
Um der leichten Melancholie, die ich in den letzten Tagen spüre, entgegenzusteuern, habe ich heute mit Kindern und Hund eine längere Wanderung gemacht, südlich von Holzkirchen. Es war sehr kalt, die Luft ganz klar, der Schnee hat unter unseren Stiefeln geknirscht und wir waren fast ganz allein, nur acht freundliche Menschen sind uns begegnet. Bei der Rückkehr waren unsere Beine schwer, dafür die Köpfe kräftig durchgelüftet – ein unglaublich tolles Gefühl, diese leichte Erschöpfung, die man so nur im Winter spürt. Und so gut und ungestört miteinander reden wie beim Laufen kann man sonst auch nirgends, wirklich wichtige Gespräche führe ich mit meinen Kindern ganz oft, wenn wir miteinander spazierengehen oder wandern, Bewegung macht uns kommunikativ. Das werden wir auch jenseits von Corona beibehalten, hoffe ich zumindest.
Ja, mein Geburtstagsfest, das habe ich auch sehr vermisst. Und nicht nur ich, mindestens zehn Leute waren ebenso traurig wie ich, dass wir diesmal nicht zusammen feiern konnten. Aber nächsten Dezember wird es wieder klappen, da bin ich jetzt mal optimistisch. Und dann lassen wir es richtig krachen, gell?
A: Demut, Bescheidenheit und Dankbarkeit wird es nie im Kollektiv geben. Manche haben sie, manche entwickeln sie und manche eben nicht. Und was ist mit denen, die von dieser Krise profitieren – also rein materialistisch gesehen?
Ich denke, dass es immer bei einem selbst beginnt, die eigene innere Haltung ist entscheidend. Die Welt verändert sich nur von da aus und nicht, weil irgendjemand möchte, dass wir dazulernen und gewisse Werte wieder mehr schätzen oder verinnerlichen.
Eine diffuse Angst vor einem Virus, das niemand berechnen kann, hat vermutlich so unterschiedliche Auswirkungen auf die Menschen, wie es eines Tages Mutationen des Virus geben wird. Bei mir schärft es unter anderem den Blick für das, was ich vorher als selbstverständlich wahrgenommen habe. Und die Wahrnehmung dessen, was essentiell ist. Da man sich der nicht greifbaren Angst vor diesem Erreger aber nicht stellen kann, wird sie einige vermutlich lähmen und in den verbarrikadierten und isolierten Rückzug zwingen. Fluchtreflexe – wie vor einem wilden Tier – funktionieren ja nicht und die Flucht nach vorn schon gar nicht.
Die hat mich vor vielen Jahren dazu bewegt, Gleitschirm zu fliegen, weil ich immer mal wieder Höhenangst hatte. Eine bewährte Methode für mich, mit Ängsten umzugehen, weil ich aktiv etwas tun und verändern kann. Und mitten reingehen kann, da wo es weh tut.
Denn das Schlimmste für mich ist das Aushalten, ohne etwas unternehmen zu können, als sich noch mehr abzuschotten. Deshalb lade ich meine persönliche Corona-Angst seit einiger Zeit gerne mal zu mir ein, heiße sie herzlich willkommen und biete ihr an, es sich so richtig bequem zu machen. Dann ist sie da und bekommt die volle Aufmerksamkeit für ein paar Minuten. Danach mach ich ihr die Tür auf und sag „So, und jetzt schleich dich“. Bemerkenswerterweise verliert sie so an Macht, da sie mir nicht in Wiederholungsschleife die Synapsen zumüllt. Weil weder mir, noch irgendjemand anderem damit geholfen ist, wenn ich monatelang Angst vor etwas habe, das niemand genau kennt und versteht.
M: Sich seine Angst mal genau anzuschauen, ist bestimmt eine gute Idee. Mir geht es nur so, dass ich sie nicht genau greifen kann, sie ist zu diffus, entgleitet mir beim näheren Hinsehen. Aber eins kann ich sagen: Sie ist nicht besonders groß, sie lähmt oder deprimiert mich nicht wirklich. Ich begegne ihr mit einem gewissen Fatalismus nach dem Motto: Wird schon gut gehen hoffentlich. Und ich halte mich – zumindest momentan – so weit es geht an alle empfohlenen Regeln, da bin ich ziemlich streng mit mir. Immerhin können wir beide noch zusammen mit den Hunden spazierenzugehen.
In den letzten Tagen hat sich meine Angst auch deutlich verlagert. Nach dem 6. Januar hab ich ziemlich viele Stunden im Netz verbracht und mich ein bisschen kundig gemacht über das, was in der entsprechenden Szene so abgeht; ich hatte recht wenig Ahnung davon. Ich habe also ein paar Dokus angeschaut, über die „Proud Boys“, über QAnon und Flat Earthers und WWG1WGA und Reichsbürger, ich habe mir viel absurdes und widerliches Geschwurbel reingezogen wie Pizzagate und Echsenmenschen und Bill Gates‘ geheimen Plan und 5G und die große jüdische Weltverschwörung. Und natürlich habe ich eine Menge Videos aus Washington angeschaut und war jedes Mal wieder fassungslos. Meinem Seelenheil ist das nicht gut bekommen. Und gestern Abend bzw. in der Nacht, als ich wieder mal schlaflos im Bett lag, was ja kein Wunder war, da hab ich dann beschlossen: Ich lass das jetzt. Ich weiß genug, mehr muss und will ich nicht wissen, das zieht mich zu sehr runter im Moment. Dann hab ich mir noch gedacht: Hat ja schon wieder gut angefangen, das Jahr. Und dann bin ich eingeschlafen.
A: Die Erwartungen an das Jahr 2021 sind natürlich groß. Und gleichzeitig auch wieder nicht, weil 2020 den meisten Menschen vermutlich in vielerlei Hinsicht so zugesetzt hat, dass es eigentlich nur besser werden kann. Vielleicht sollte man diesem Jahr – mit dem zugegeben holprigen Start – einfach ein bisschen mehr Zeit geben. Und diese Verschwörungsgläubigen und Extremisten in unterschiedlichsten Ausprägungen sehr sehr sorgfältig im Auge behalten.
Die Angst vor was auch immer macht den Menschen anscheinend noch offener für bestimmte Einflüsse, die aus dem tiefsten Mittelalter zu kommen scheinen. Rationalität ist da völlig außen vor und rationale Argumente gegen regressive oder gar psychotische Weltbilder verstärken eher die Abwehr der Gläubigen, die damit noch unberechenbarer und gefährlicher werden.
Natürlich ist auch im Siegeszug der Rationalisierung und Technisierung nicht alles gut, aber die Lösung kann nicht sein, deswegen komplett ins Magische und Dämonische abzutauchen.
Die Corona-Pandemie wirkt da irgendwie wie ein Brennglas.
Und dann gibt es ja noch die, die ein paar Seminare besucht haben oder bestimmte Bücher gelesen haben und direkt glauben, dass sie alles verstanden haben. Ich bin jetzt – als Geisteswissenschaftlerin – sicher nicht vollends der Naturwissenschaft verfallen, denke aber, dass der Weg eines Wissenschaftlers – im Speziellen eines Virologen oder Epidemiologen – auch ein steiniger ist mit vielen Höhen und Tiefen. Und Letztere machen hoffentlich so demütig, dass der Umgang mit dem Wissen achtsam, umsichtig und immer im Sinne des Menschen, der Tiere und der Natur ist.
Aber durch Rationalität allein ist der Mensch eben nicht ausgefüllt. Es wird immer auch eine Sehnsucht nach einer Art Transzendenz geben, die die Generationen vor uns wahrscheinlich größtenteils in ihrem christlichen Glauben gestillt haben.
Mir persönlich hilft auch hier wieder mal die Integration der Yogalehre in mein Leben, vor allem durch eine tägliche Praxis, zu der auch das Sitzen in der Stille (was gern Meditation genannt wird) gehört. Das klingt immer so holy holy, ist aber erstmal nichts anderes als die Reinigung des Bewusstseins, denn du glaubst gar nicht, was da an Müll in einem hochgespült wird, der einen gern mit all seinen Unzulänglichkeiten konfrontiert. Das bringt mich direkt auf den Boden der Tatsachen. Denn auch Yoga funktioniert für mich nur mit einer guten Portion an Rationalität, Pragmatismus und Humor. Da ist das sogenannte „Spirituelle“ noch gar nicht in Sichtweite. Zumal dieses „Spirituelle“ in der Yoga-Philosophie ja leider auch zum Missbrauch einlädt. Es hört also nie auf mit dem Hinterfragen, Achtsam-Sein und der Suche nach dem rechten Maß.
M: Zu guter Letzt meine – sicher noch nicht vollständige – Liste für die Tage, an denen wir wieder vieles, wenn auch vermutlich nicht alles dürfen von dem, was ich jetzt so vermisse. Als unverbesserliche Optimistin glaube ich daran, dass zumindest im Frühling bzw. zu Ostern schon wieder einiges geht. Und das hält meine Laune halbwegs stabil.
– Kino
– Mehr als einen Menschen treffen – und alle umarmen können!
– Endlich mit euch ins afghanische Restaurant gehen und so lange bleiben,
bis wir rausgeschmissen werden
– Kochen und Leute einladen – vielleicht die Geburtstagsfeier nachholen
– In einem Straßencafé sitzen und Leute gucken, bei schönem Wetter bitte!
– Kino
– Sich mal wieder zum Ausgehen richtig aufbrezeln
– Reisepläne schmieden (mach ich eigentlich schon die ganze Zeit; der
Favorit ist momentan eine mehrere Tage dauernde Zugfahrt. Norwegen?
Kanada? Orient-Express?)
– Kino
– Im Mini-Hofbräuhaus im Englischen Garten herumlungern
– Theater
– Mal wieder in einer Bar versumpfen
– Biergarten
– Kino
Ach, ich könnte das endlos fortsetzen. Mach ich aber nicht. Stattdessen: Schluss!
Wir hier in den australischen Tropen spueren (fast) gar nichts von Corona. Maerkte, Restaurants, Ausflugsziele, Touren, Feiern, alles beim alten. Wird ein (!) einziger Fall bekannt, die eingeschleppte UK Mutante eines aus dem Ausland zurueckgekehrten Einheimischen, geht eine Millionen Stadt Brisbane mit ihrem Umkreis in den harten lockdown, die internen Grenzen werden dicht gemacht und Fluege aus dem Ausland noch mehr „gecapt“, so dass es noch schwieriger und fast unmoeglich wird, nach Hause zu kommen. Raus kann man mit Genehmigung, rein nur unter schwierigsten Bedingungen…..eingesperrt sein auf hoechstem Niveau, leben in einer riesigen Luftblase.
Man darf sich gar nicht vorstellen, was passieren wuerde, wenn es die Bevoelkerung hier so schlimm traefe wie in Europa oder auch den Staaten.
Hier werden Stimmen laut, auch Einheimische nicht mehr reinzulassen oder wenn es sein muss, sie in Minenunterkunften in der Pampa oder auf vorgelagerten Inseln in runtergekommenen Lagern, wie man es mit Asylantraegern hier so schoen macht, zu evakuieren….ein verzweifelter Ansatz COVID frei zu werden.
Was mir ein wenig Sorge macht, ist nicht das Virus, mit dem muessen wir jetzt leben, sondern die Angst der Menschen vor COVID, hier schuert es Rassismus und wird auch benutzt, um Politik und Machtgerangel zwischen Ost und West zu ueben….Angst auf hoechstem Niveau.
Ich wuerde mir wuenschen, dass jeder, der diese Angst verspuert, eine Reise in und zu sich selbst antritt, mal durch Stille das grosse Ganze sprechen zu lassen….und schauen, was passiert.
Aber das muss jeder fuer sich selbst entscheiden.
Vielen Dank fuer Eure Beitraege, Gespraeche und Gedanken, ich freu mich immer, wenn’s was Neues zu lesen gibt.
Bleibt gesund! DD