A: Wir haben was zu feiern! Unser Blog hat Geburtstag. TATAAAA!!! Wie alt wird er denn eigentlich? Zählen wir ab heute, wo der erste Beitrag online geht? Dann ist das Tag 1. Also der Anfang. Der mit dem Zauber! Die Idee war ja schon vorher geboren. Der Blog ist also ein Coronakrise- & gleichzeitig ein Juni-Kind. Das klingt schwer und leicht zugleich. Wie alles im Leben. Wie Geburtstage. Ich hatte ja auch gerade. Und habe diesen, ich sag jetzt mal besonderen Tag, mit gelangweiltem Hund, jüngstem, technikaffinen Sohn und dem besten Thüringer IT-ler, den ich seit 10 Jahren ausschließlich vom Telefon und über Team Viewer navigierend auf meinem Rechner kenne, verbracht. Einen Nachmittag später waren die letzten acht Jahre von meinem alten iMac gelöscht und zwei Sektflaschen leer. Mein alter Rechner steht jetzt schwarz und trostlos neben mir. Das macht mich ein bisschen nostalgisch. Ich trauer ja jedem Scheiß hinterher! Erstmal. Weil die Zeit mit dem Mac, auf dem gefühlt mein halbes Leben war, nun endgültig vorbei ist. Und zusätzlich meine geplante Geburtstagsparty ins Wasser gefallen ist. Wegen der Personen aus zwei Haushalten, mit denen man nur zusammen sein darf. Kann man das nachholen? Nein! Auch wenn der Titel deines neuen Buches so heißt, liebe Martina.
M: Nachholen kann man so ein Fest natürlich tatsächlich nicht, aber vielleicht ist das ja auch gar nicht so schlecht. Was Neues ist angesagt beim nächsten Mal! Vielleicht feiern wir im kommenden Jahr auf einer Isarbrücke oder einer Kiesbank oder einem Dampfer auf dem Ammersee? Ich finde es jedenfalls ganz gut, dass diese Zeit uns herausfordert, mal ein bisschen rauszukommen aus dem gewohnten Trott. So habe ich mich zum Beispiel lange dagegen gewehrt, mich in den Sozialen Medien zu tummeln, zum Teil, weil ich einfach zu faul bin, was Ungewohntes zu probieren. Plötzlich aber musste ich Lesungen und Interviews digital absolvieren – und siehe da: Es ging, nach anfänglichem technischen Chaos, nicht nur ganz gut, sondern hat sogar richtig Spaß gemacht!
Dennoch verstehe ich deinen Trennungsschmerz vom alten Rechner sehr gut. Ich kann mich zum Beispiel noch nicht von meinem alten Handy verabschieden – erstens graut es mir davor, den ganzen Klimbim auf ein neues zu überspielen (da geht garantiert was verloren – Hilfe!!!), und zweitens passt es so herrlich in meine Hosentasche. In der Beziehung fühle ich mich echt manchmal alt…
A: Wäre es denn wirklich dramatisch, wenn da was verloren geht? Kontakte, Bilder, Ideenskizzen? Was ist echt wichtig? Also für die Erhaltung und den weiteren Verlauf des Lebens. Ist es nicht vor allem mühsam, die ganzen Apps wieder zu laden? Und Passwörter zu safen, ok. Die haben auf dem Handy aber eigentlich nix verloren. Hast du die da etwa? In einer App?
Heute Morgen war ich emsig dabei, alle Ordner vom alten Mac auf den noch blitzblanken Desktop des neuen Rechners abzulegen. Als ich vom Hintergrundbild so gut wie nichts mehr erkennen konnte, blinkte auf meinem Handy eine eingegangene WhatsApp des Jüngsten auf: „Und müll deinen Rechner nicht wieder so voll!“ Schnöde ertappt hatte ich die Szenerie dieses gänzlich anderen Geburtstages vor Augen, von dem es kein einziges Foto gibt. Vielleicht wird er mir deshalb ewig im Gedächtnis bleiben? So wie dir deine neue digitale Präsenz? Da fällt mir einer dieser lebensbejahenden Sprüche auf Postkarten mit spiritueller Farbauswahl ein: „Wann war das letzte Mal, dass du etwas zum ersten Mal gemacht hast?“ An meinem langweiligen Geburtstag vor wenigen Tagen! Beim Schreiben des ersten Beitrags unseres neuen Blogs! Ich triumphiere, ja! Normalerweise machen mir solche Karten nämlich echt schlechte Laune.
M: Meinst Du solche Postkarten mit Sprüchen wie „Betrachte jeden Augenblick wie eine schöne Blume, dann wird jeder Tag wie ein schöner Strauß?“ Die finde ich auch ganz furchtbar, gehören in die gleiche Kategorie wie Ausdrücke à la „Die Seele baumeln lassen“, da krieg ich gleich Pickel davon. Werden aber gerne verbreitet, solche Weisheiten. Vorzugsweise von Frauen der „Eat, Pray, Love“-Fraktion. Gegen die ich prinzipiell gar nichts habe, sie sind meistens sehr nett, manchmal sogar zu sehr. Ich kann nur so gar nichts anfangen mit ihrer Nabelschau und ihrem unermüdlichen Streben nach Selbstverwirklichung.
Zum Thema Verlust von Fotos und damit Erinnerungen fiel mir ein Satz von Gerhard Polt ein, den er mal in einem Interview sagte. Auf die Frage, ob er ein Bild seines Sohnes bei sich trage, antwortete er: „Das brauch ich nicht, ich kann ihn mir merken.“ Das fand und finde ich ganz wunderbar. Weil er so schön knapp zusammenfasst, was du schon erwähnt hast, liebe Alexandra: Die wichtigsten Ereignisse behält man auch ohne Gedächtnisstütze im Kopf (auf einer der uns verhassten Postkarten würde dazu vermutlich stehen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ oder sowas).
A: Dieser Spruch mit dem Herzen stand schon in meinem Poesiealbum aus den 90zigern. Da kam es aber mehr auf die Anzahl und den Glitterstaub der Glanzbilder an, die drumherum geklebt wurden. Zumindest für mich. Und die bocksteifen Zitate der Lehrer habe ich zu Grundschulzeiten überhaupt nicht verstanden. Das waren so schwere Brocken von Cicero, Goethe und Unbekannt. Außerdem haben die NIE Bilder eingeklebt! Erst, als die Grundschullehrerin meines Ältesten das Zitat aus dem kleinen Prinzen in so eine Art Erinnerungsbuch für ihn geschrieben hat, erschloss sich mir ein neuer Sinn. Vor allem, weil er so unglaublich gut zu dieser fröhlichen, unkomplizierten und entschlossenen Frau passt. Die trägt das nicht wie ein Banner vor sich her, sondern lebt das einfach. Zumindest aus meiner Perspektive. Bei manch anderen erwische ich mich dann doch öfter mal dabei, gänzlich unyogisch zu denken: Ey Leute, einfach mal machen und weniger Karten kaufen.
Knirsch… ich hab grad mal in die unterste Schublade von meinem Rollcontainer geschaut: Da liegen so knallbunte Postkarten auf denen steht: „Sei Pippi. Nicht Annika.“ Und noch eine aus der Pippi-Ecke: „Das habe ich noch nie vorher versucht. Also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“ Der passt doch ganz gut zu unserem ersten Geburtstags-Blog-Eintrag, gell? Oder kannst du mit „Freiheit bedeutet, dass man nicht alles so machen muss wie andere Menschen“ mehr anfangen? Angeblich auch von der Lindgren. Ich hab nämlich beim Recherchieren zum Thema „Wie man erfolgreich einen Blog schreibt“ festgestellt, dass wir die 10 oder 20 goldenen Regeln für einen guten Blog leider nicht befolgen. Das Einzige, was wir für uns beanspruchen können, ist Regel Nummer 1: Lust darauf haben. Und dahinter steht dann „Mindestens zwei Jahre.“ Also so weit können wir jetzt aber nicht planen, oder?
M: Doch, planen können wir! Ob wir es dann auch umsetzen, ist eine andere Frage. Ich finde, wir machen es einfach so lange, wie es uns Spaß macht. Oder bis uns die Themen ausgehen. Was voraussichtlich nie passieren wird, weil wir ja über buchstäblich ALLES reden bzw. schreiben! Und mir jeden, wirklich jeden Tag irgendwas einfällt, worüber ich mit dir palavern will.
Wir schauen einfach mal, okay? Und lassen uns von uns selbst überraschen.