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What the lack

M: Vor ein paar Tagen habe ich ein ganz wunderbares Buch gelesen: Anne Tyler, „Abschied für Anfänger“ – kann ich Dir sehr empfehlen!
Auf der Seite 144 las ich folgenden Dialog (von mir gekürzt):
„Ich dachte nur“, sagte meine Mutter, „dass Danika Jones dir im Alter näher sei.“ (…)
Ich sagte: „Danika! Die lackiert ihre Fußnägel!“
„Was ist daran so schlimm?“
„Frauen, die ihre Fußnägel lackieren, sind mir nicht geheuer. Ich frage mich, was sie zu verbergen haben.“
Über diesen Satz bin ich gestolpert und grüble immer noch: Was kann der 24-jährige Erzähler damit gemeint haben? Was verbergen Frauen, die sich die Fußnägel lackieren, seiner Meinung nach? Ungepflegte Nägel? Gelbliche? Fußpilz?
Und weil dieser Gedanke in mir arbeitet, gucke ich im Moment ganz genau auf die Füße von Frauen, die sich mir bei schönem Wetter präsentieren: Natur oder lackiert? Und falls letzteres: In welcher Farbe? Rot scheint immer noch die erste Wahl zu sein, ich habe aber auch schon hellblau, grün, schwarz und gelb gesehen. Und einmal Füße, bei denen jeder Nagel eine andere Farbe hatte.
Kommt es mir nur so vor, oder breiten sich tatsächlich in den letzten Jahren Nagelstudios sehr aus, nicht nur in unserem Viertel? Ich habe noch nie eins betreten, stehe nur ab und zu staunend vor einem Schaufenster, in dem Unmengen von falschen krallenartigen Nägeln in x Farben und Mustern präsentiert werden. Jetzt frage ich mich: Gibt es diese falschen Nägel eigentlich auch für die Füße?

A: Bestimmt! Und ich sehe auch immer mehr von diesen schuhschachtelgroßen Läden, die ja in jeden Hausschlitz passen. Meine Frisörin trägt die Farbe ihrer Kunst-Nägel passend zu ihren Dirndln. Und gibt ein Vermögen dafür aus, weil die ja ständig erneuert werden müssen. Man kann da auch nicht so einfach wieder auf seine eigenen Nägel umsteigen, weil das Abschleifen und die Kleber wohl den Naturnagel ruinieren. Es gibt also kein Zurück!
Ich lackiere meine Fußnägel oldschool mit dunkelrotem Lack (der heißt Agent Dr. Love!) aus den einschlägigen Drogeriemärkten. Das klappt meist erst im zweiten Anlauf, weil ich natürlich zu schnell in Socken oder Schuhe schlüpfe oder beim Trockentest mit den Fingern hängenbleibe. Mittlerweile lecke ich mit der Zunge drüber, dann verschmiert nix. Grund für meine gern mal lackierten Fußnägel sind meine berufsbedingten nackten Füße, selbst im Winter: Sie sehen freundlicher und frischer aus, wenn ich durch die Herabschauenden Hunde gehe.
Schwarze und bunte Nägel mit Beflaggung (zur Fußballweltmeisterschaft!) sind dann wohl eher in die Kategorie „Statement“ für was auch immer einzuordnen. Was aber verbirgt jemand hinter lackierten Nägeln? Vielleicht Mangelerscheinungen, die man mit geschultem Auge ja angeblich an Rillen, weißen Flecken etc. sehen kann? Oder haben alle fußnagellackierten Frauen ein Geheimnis, das es zu hüten gilt?
Also ich hab mindestens eins…

M: Das wüsste ich jetzt natürlich schon gerne, von welchem Geheimnis du sprichst. Verrätst du es mir?
Ich lackiere ja aus Faulheit nur noch im Winter. Von rot bin ich mittlerweile abgekommen und benutze eine fast weiße Perlmuttfarbe, ganz dezent. Und ich gönne mir seit ein paar Jahren alle drei Wochen eine professionelle Pediküre, was bedeutet, dass ich mich kaum noch  um meine Füße kümmere. Was ich nämlich zunehmend lästig fand, weil man sich ja schon ganz schön verrenken muss mit abnehmender Gelenkigkeit. Ich bestaune immer die Babies, die es spielerisch schaffen, ihre kleinen Treter zum Gesicht zu führen und sogar die Zehen in den Mund zu stecken.
Spannendes Thema, Füße. Ich kenne kaum eine Frau, die mit ihren zufrieden wäre (von Männern weiß ich es nicht, war noch nie Gesprächsstoff mit ihnen). Irgendwas haben sie immer daran auszusetzen: Zu groß, zu breit, Knick-, Senk-, Spreiz- oder Plattfuß, die Zehen zu kurz oder zu lang, Hallux, Hornhaut, Fersensporn… Was natürlich vor allem an den Schuhen liegt. Mein Orthopäde empfiehlt, möglichst viel barfuß zu laufen, und zwar auf verschiedenen Untergründen, mal Sand, mal Gras, mal Steine. Ist bestimmt kein Problem, wenn man einen Garten hat und/oder an einem See wohnt, aber wo nehme ich in der Stadt Sand und Steine her? Also muss es die Wohnung tun. Aber auch nur im Sommer, im Winter geht’s nicht ohne Socken, kalte Füße kann ich nicht ausstehen.

A: Ich finde Füße voll sexy! Wenn sie gepflegt sind. Und ich mag meine Füße. Und die vom Mann. Sonst wären wir gar nicht verheiratet. In meinen wilden Kölner Studentenzeiten hatten die Männer, die mit Jeans und nackten Füßen die Haustür öffneten, einen Riesenvorsprung gegenüber den besockten oder beschuhten. Ganz unterirdisch hier natürlich Adiletten, Birkenstocks oder so Fellpuschen! Bei einigen Menschen kann ich sogar besser die Füße, als die Gesichter erinnern. Gar nicht so sehr die perfekten, bei denen die Zehen wie die Orgelpfeifen aufgereiht sind, sondern die, die anders sind. Ein alles überragender zweiter Zeh oder auch ein Hohlfuß mit einem gigantischen Fußgewölbe, den ein Orthopäde bei einem Anatomieseminar entblößte. In Yoga-Einzelcoachings arbeite ich oft akribisch an der Ausrichtung der Füße. Weil die die Basis für die ganze Haltung sind. Ein großer Plattfuß hat eine enorme Schwerkraft. Menschen mit solchen Füßen sind meist ausdauernd, belastbar, geduldig, aber auch gern mal schwerfällig und unflexibel. Hier fängt also alles an. Lackiert oder nicht lackiert! Und damit zum Geheimnis: Das kann ich hier natürlich nicht ausplaudern, dann ist es ja keines mehr. Dafür erweitere ich jetzt aber die verwegene Behauptung des 24-jährigen Erzählers aus Anne Tylers Buch: Menschen, die ihre Füße ständig unter Socken, Puschen oder Schuhen begraben, haben was zu verbergen. Also mehr als ihre Füße natürlich!

M: Füße sexy? Das kommt meiner Meinung nach – wie ja fast immer im Leben – darauf an. Gerade im Sommer sieht man schreckliche Exemplare, total vernachlässigt und ungepflegt, vorwiegend bei Männer und sehr gerne in den uns verhassten Adiletten oder Birkenstocks, die zu tragen ich mich schlichtweg weigere, auch wenn sie so gesund sein sollen für die Füße. Zu meinem Entsetzen hat sich meine durchaus modebewusste Tochter letztes Jahr Birkenstocks gekauft und trägt sie im Sommer ausgiebig. Sie findet sie im Gegensatz zu mir nicht hässlich und meint, ich hätte diesbezüglich Vorurteile. Stimmt. Aber ich kann mich dennoch nicht dazu durchringen.
Aber zurück zu den Füßen: Bei meinem Orthopäden betrachte ich bei jedem Besuch das anatomische Modell eines linken Fußes und staune, was diese paar Knochen, Sehnen und Bänder so alles bewältigen. Wenn man sich überlegt, dass die zum Teil 80 oder mehr Jahre ein ordentliches Gewicht von oftmals über 100 Kilo tragen müssen! Gehen, stehen, rennen, springen, kicken, treppauf, treppab, Berge rauf und runter… Und allein beim normalen Laufen wirkt das 4-fache unseres Körpergewichts auf den tapferen Hinterfuß – ich finde, unsere Füße sind Helden! Und deswegen kriegen sie jetzt nach einem langen Spaziergang von fast 15 Kilometern ein Fußbad und eine Massage spendiert, schließlich sollen sie mich noch lange weitertragen!


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